King of the Lake 2025

Am Vorabend des King of the Lake bekomme ich beim gemeinsamen Abendessen ein Mikro vors Gesicht gehalten und der Interviewer leitet ein mit: „du bist ja prädestiniert für eine Teilnahme beim KOTL...“ und in meinem Gehirn beginnt es zu rattern und ehrlicherweise: Ich könnte nicht mehr am falschen Platz sein als hier! Mein Offenbarungseid ist, dass ich de facto hier einen der heißbegehrten Startplätze schlicht und ergreifend blockiere. Ich, der gerne gemütlich fährt, wenig Ehrgeiz besitzt, gerne stehenbleibt um Fotos zu machen und sich nicht um Ergebnislisten schert. Auf der anderen Seite rund 5.000 Leute, die fleissig trainieren, schnell fahren wollen und unbedingt mal in den Genuss kommen wollen, beim größten Zeitfahren Europas auf gesperrter Straße einmal um den wunderschönen Attersee zu düsen.

Ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich mitunter auch schon etwas ratlos war, worüber ich beim King of the Lake eigentlich noch berichten soll. Ich bin mit dem Rennrad mitgefahren, habe mit dem Zeitfahrrad teilgenommen, war alleine und im Vierer-Team unterwegs, bei Regen und Sonne, habe darüber geschrieben und Videos gemacht. Und da sich 5.000 Leute um 1.400 Startplätze streiten, ist auch nicht mehr allerdringendst notwendig, groß die Werbetrommel zu rühren. Und wer den KOTL in den letzten Jahren mitverfolgt hat, bemerkt eine stellenweise fast schon beängstigende Leistungsgesellschaft, wo Räder um 15.000+€ keine Seltenheit sind, der Kampf um das letzte Watt nicht nur so dahingesagt ist und wer sich nach der Zieleinfahrt nicht vor Erschöpfung auf den Boden legen muss, der hat was falsch gemacht. Na gut, so schlimm ist es auch wieder nicht, aber so wie ich einfach nur mitfahren zu wollen - des Events, des Radfahrens oder der Leute wegen - das grenzt stellenweise schon an schlechtes Gewissen. Aber genau darin habe ich dann wieder den Sinn gefunden mitzufahren und darüber zu berichten. Und dass es dem Baranski am Ende irgendwie ähnlich gegangen ist, freut mich insbesondere - aber dazu später noch mehr.

Die gleiche Person, die mir das eingangs erwähnte Mikro unter die Nase gehalten hat, fragte mich zwei Wochen vor dem KOTL ob man mir eine Kamera für den Livestream auf das Rad schnallen könnte. Solche Anfragen klingen interessant und werden von mir daher grundsätzlich bejaht. Als es dann noch geheißen hat, meine Startzeit wird dann irgendwo „bei den Guten“ sein und je langsamer ich fahre desto besser, denn dann sind die schnellen Fahrerinnen länger im Bild, war für mich alles klar. Ich hatte die perfekte Ausrede, das eigentliche Rennen irgendwie auszublenden und hatte einen Auftrag - flott (aber irgendwie nicht zu schnell?) um den See fahren und einen Beitrag leisten.

Dass dabei dann Ressourcen übrig bleiben, um sich auf andere Dinge zu konzentrieren - großartig! Links schauen auf die Landschaft, rechts schauen auf den See, beobachten wer überholt und wen man überholt, Kilometer zählen, den Fotografen zuwinken, die Fanzonen mal genauer anschauen, mit den Motorradfahrern kommunizieren, die die Strecke begleitend absichern. Nicht falsch verstehen - das soll kein Appell sein, nur noch spazieren zu fahren, das wäre im Kontext des KOTL Blödsinn. Am Ende ist es ein Rennen und erwartet ein gewisses Maß an Leiden und Leidenschaft. Genau diese Leidenschaft können aber auch Leute aufbringen, die eben nicht den S-Works-Zeitfahrer mit Lightweight-Vollscheibe und Ceramic Speed Oversized Pulleys aus dem Auto zaubern. Und auch jene, deren FTP unter 300 liegt. Und auch jene, die einfach nur die gesperrte Strecke erleben wollen. Und und und und...

Den Baranski ordnet man als ehemaligen King of the Lake und damit Gewinner dieser ganzen Geschichte jetzt eher nicht auf der Seite jener ein, die den Attersee unbedingt aus Genuss umrunden. Seine Expertise und die Produkten aus seinem Shop ermöglichen ja vielen auch erst, die volle Leistung auszuschöpfen - letztes Watt und so. Aber genau dieser Baranski hatte lustigerweise dieses Jahr auch eine Art Epiphanie, die am Ende auch ein paar der Punkte wiederholt, die ich oben versucht habe niederzuschreiben. Am besten liest man dazu den Blogbeitrag, den Marcus zum diesjährigen KOTL geschrieben hat - ich freu mich beim Lesen irgendwie über diese Erlebnisse mit! Und die gemeinsame Zieleinfahrt hatte schon fast romantische Züge…

Baranski hat Zeit zum Winken!

Was ist jetzt die Message dieses Blogpost? Was bleibt nun nach dem King of the Lake 2025?

Ich glaube es ist eine Art Plädoyer für eine unbelastete Herangehensweise an den KOTL. Lassen wir die, die unbedingt unter einer Stunde um dem See fahren wollen, trainieren, leiden und performen. Der King of the Lake soll aber bei aller Leistungsdichte auch weiterhin ein Forum sein für Leute, die gerne an Veranstaltungen teilnehmen, die gesperrte Strecke genießen wollen und die sich fordern wollen, ohne sich direkt im Ziel anspeiben zu müssen.

Wer sich ein Bild von der Runde machen und 1 Stunde und 24 Minuten seines Lebens darauf verbrauchen will, den Vorbau meines BMCs anzustarren, dem sei mein Streckenvideo nahegelegt - ich habe nämlich die Kamera auf meinem Brustgurt laufen lassen. Ansonsten wird mir der Teenager in Erinnerung bleiben, der mir in der 13%-Steigung in Buchberg trocken ins Gesicht gerufen hat „Beweg dich!“ - Danke für Nichts... Ich freu mich jetzt schon aufs nächste Jahr!