Kufsteinerland Radmarathon

Nachdem ich beim Ötztaler ein Streichresultat ("DNS") zu verbuchen hatte, habe ich mich umso mehr auf den Kufsteinerland Radmarathon gefreut. Im September tummeln sich ja traditionell noch zahlreiche tolle Veranstaltungen im Kalender, die eine gute Möglichkeit bieten, die Sommersaison entsprechend ausklingen zu lassen.

Foto: Sportograf

Kufsteinerland

Fangen wir von vorne an. Ich bin gefühlt schon hunderte Male durchs Inntal gereist - allerdings immer nur auf der Autobahn oder im Zug sitzend. Bekanntermaßen bekommt man ja - zwischen Lärmschutzwänden eingezwängt - nicht allzu viel von der Umgebung mit, wenn man mit 100 km/h+ durch die Lande fährt. Die Geheimnisse und Schätze, die hinter Schutzverglasung, Lärmisolierung und überdimensionalen Hinweistafeln liegen, kann man nur erahnen. Umso mehr bietet sich ab und zu an, den Blinker zu setzen, die Abbiegespur zu wählen und sich in das eigentliche Land hineinzustürzen. Meine Mission in diesem Fall: Kufsteinerland Radmarathon.

Am Eingang des Tiroler Inntals gelegen bietet Kufstein eine malerische Kulisse, die auf den ersten Blick nur bedingt der klassischen Vorstellung von Tirol entspricht - keine wilden Klippen, keine stürzenden Bäche, keine steilen Hänge. Bei einer kurzen Radrunde durch die Umgebung von Kufstein komme ich zum Schluss, das hier ist ein "Tirol für Ostösterreicher" - zumindest was das Anforderungsprofil an den Radfahrer betrifft. Oft genug war ich schon in Osttirol und in den hohen Bergen Nordtirols - dort geht es entweder steil rauf oder steil runter. Das hat zweifellos seine Reize, ist aber (leistungstechnisch) nicht jedermanns Sache. Rund um Kufstein findet man sich in einer tollen hügeligen Landschaft wieder, "es rollt" könnte man sagen, kleine Stiche da und dort, 100-200 Höhenmeter am Stück aber keine monumentalen Anstiege. Sicherlich gibt es bei genauerem Hinsehen und nach etwas Recherche auch diese größeren Herausforderungen, aber hierfür muss man schon etwas genauer suchen. Meine Waden, die in den Hügeln Ostösterreichs sozialisiert wurden, schätzen das rollende Gelände sehr - hier fühle ich mich wohl. 

Scheint dazu noch die Sonne, ist sowieso alles Friede, Freude, Eierkuchen. So rollt Samstagvormittag eine tolle Gruppe zu einer kurzen Streckenbesichtigung durchs Kufsteinerland. Mit dabei unter anderem der Vorjahres- und Premierensieger Patrick Hagenaars. Ich habe Patrick schon bei einigen anderen Events gesehen und erleben dürfen, wie er trotz seines Handicaps meistens an der Spitze der Rennen mitfährt. Es wäre falsch, seine Leistungen immer unter dem Aspekt seiner Armprothese zu sehen - er ist einfach ein Spitzenfahrer, der laufend tolle Resultate erbringt. Vielleicht ergibt sich ja mal die Möglichkeit, eine kurze Geschichte über Patrick zu bringen.

Rahmenprogramm

Ein spannendes und abwechslungsreiches Rahmenprogramm begleitet die Hauptrennen des Kufsteinland Radmarathon. Expo, Fahrsicherheitstrainings und unterschiedliche Fachvorträge bieten zahlreiche Möglichkeiten, in das Event einzutauchen. Das Rennen selbst findet sonntags auf einer Panoramarunde (50 Kilometer) und auf der Marathonstrecke (120 Kilometer) statt. Am Vortag wartet jedoch noch ein besonderes Schmankerl - der Festungsstadtsprint.

Foto: Sportograf

Kurzerhand angemeldet, erwartet mich eine Strecke von etwas über 1.000 Metern (pffff) und ca. 55 Höhenmeter (pfffffffff) - how hard can it be? Selten zuvor hab ich meinen Körper innerhalb von 90 Sekunden derart ans Limit gebracht. Vollgas aus dem Startzelt den Hauptplatz hinauf, 400 Meter mit 50 km/h auf der Hauptstraße durch Kufstein, bevor es durch eine Kurve auf den Festungsberg von Kufstein geht. 40 Höhenmeter auf den restlichen 250 Metern? Alles klar. Die Steigung zwischen 14 und 20% gepaart mit der Vorstellung, da Vollgas rauffahren zu können ("Sind doch nur 300 Meter!") bilden einen letalen Cocktail. 100 Meter vor dem Ziel möchte ich noch einmal aus dem Sattel gehen, aber meine Oberschenkel sind leer. Den Pulsmesser hab ich gottseidank gar nicht erst umgeschnallt. 372 Watt Schnitt auf knapp zweieinhalb Minuten. Die Endzeit ist irrelevant, war ja nur ein Juxrennen (ja, ja...). 

Aktivität auf Strava.

Fotos: OFP Communications

Das Rennen

Die Wettervorhersage vom Vorabend war nicht sehr erbaulich - je nach Handy-App schwankt die Regenwahrscheinlichkeit für den Start des Rennens zwischen 90 und 100 Prozent. Sonntag morgen, leichter Regen und acht Grad. An meinem Körper finden sich sämtliche Teile meiner mitgebrachten Rad-Garderobe: Knielinge, Langarmtrikot, Windweste und darüber noch die Regenjacke. An Überschuhe hab ich im Vorfeld nicht gedacht, auf den Händen bin ich grundsätzlich nicht so empfindlich.

Foto: Sportograf

Dass ich mich aus Zeitgründen (Rückreise usw.) schon im Vorfeld für die kürzere Panoramarunde angemeldet habe, kommt mir jetzt zugute. Für die 120 Kilometer hätte ich heute ob des Wetters vermutlich keine Nerven - und nicht die richtige Ausrüstung. Flotte 50 Kilometer stehen also am Plan, 1:45h der grobe Zeitrahmen, Frank von shutuplegs.de steht neben mir, in guter Gesellschaft fährt es sich gleich noch einmal besser und leichter. Wir stehen im Zentrum von Kufstein an der Startlinie - dem Vernehmen nach ist das übrigens auch die Startlinie für das Herren Eliterennen der WM 2018 in Tirol! Wir gehen am Ende des Startblocks ins Rennen. Man muss immer abwägen, ob man vorne mitfahren will oder nicht - wenn nicht, dann macht es doch Spaß, das Feld - zumindest teilweise - von hinten aufzurollen und immer wieder Gruppen vor sich zu sehen, zu denen man auffahren kann. 

Fotos: Sportograf

Schon nach wenigen Metern kenne ich das Geschmacksspektrum der Tiroler Bundes- und Landesstraßen, direkt serviert und in mein Gesicht geliefert vom Hinterreifen meines Vordermanns. Meine Socken und Schuhe bilden eine kiloschwere nasse Einheit. Doch damit ist es schon genug des Beschwerens - außerdem: selbst schuld, hätte ich doch Überschuhe mitgebracht...

Foto: Sportograf

Das Rennen führt durch die anfangs erwähnte hügelige Landschaft, leichtes Auf und Ab, drei größere Hügel stehen am Programm, die man aber allesamt noch recht gut "wegdrücken" kann. Auf der großen Marathonrunde sind da schon andere Kaliber dabei, aber für heute reichen die Herausforderungen der Panorama-Runde. In einer guten Gruppe geht es flott dahin, nach einem - glücklicherweise glimpflichen - Sturz eines Mitfahrers in der nassen Abfahrt nach Angath sind wir plötzlich nur noch zu viert oder fünft. Über den Inn geht es noch einmal hinauf auf ein Hochplateau, einige hundert Meter vor mir sehe ich noch einen Fahrer, den hol ich mir noch - außerdem sind es nur noch sechs oder sieben Kilometer bis ins Ziel. Ein kurzer Antritt und ich bin am Hinterrad des Kollegen, die Beine fühlen sich gut an, also vorbei und alleine Richtung Ziel. Kurz fühlt es sich an wie eine Soloflucht bei einer Grand Tour-Etappe. Vielleicht schaue ich einfach zu viel Radsport im TV... Um den Sieg geht es ja doch nicht, die Platzierung ist mir auch eher gleichgültig, aber ein kurzes Hochgefühl bei der alleinigen Fahrt Richtung Ziel - das macht schon Spaß und im Endeffekt ist es ja auch das, was man bei solchen Veranstaltungen sucht. Wenn schon nicht um den Sieg mitfahren, dann zumindest die persönlichen Highlights und Gefühle erleben!

Aktivität auf Strava.

Glücklich im Ziel, warme Dusche im Hotel! Danke Kufstein, wir sehen uns nächstes Jahr! Ich fahre zufrieden nach Hause, in Erinnerung bleibt ein super organisiertes Event, nur 1 (in Worten: EIN) Auto, dass während des Rennens zu sehen war, eine gute Absicherung der Strecke und ein sehr nettes und sympathisches Organisations-Team! 

Foto: Sportograf

Meine Teilnahme am 2. Kufsteinerland Radmarathon erfolgte auf Einladung des Veranstalters. Alle Infos zum Rennen gibt es auf der Homepage und auf Facebook sowie auf der Seite des Tourismusverbands Kufsteinerland.